Weihnachten gilt heute vielen als Fest der Ruhe, der Familie, der Lichter und der Geschenke. Kurzum: Weihnachten gilt als Fest der Liebe!
Doch ein Blick in die Geschichte zeigt: Weihnachten war nie nur besinnlich und lieblich. Es war politisch, brutal, prunkvoll – und manchmal einfach nur ein Wunsch nach etwas Alltäglichem. Wie unterschiedlich Weihnachten sein kann, zeigt ein Streifzug durch mehrere Jahrhunderte Münchner Geschichte.
Weihnachten 1504: Eid, Macht und Gewalt
Der 26. Dezember 1504, der St.-Stephanstag.
In München herrscht keine festliche Ruhe, sondern angespannte Ordnungspolitik. Der Landshuter Erbfolgekrieg tobt, die Stadt ist politisch sensibel.
An diesem Tag wird der Innere Rat der Stadt München durch Herzog Albrecht IV. bestätigt und vereidigt. Das Ratsprotokoll hält nüchtern fest, dass der neu gewählte Rat „den gewönnlichen Eid“ auf den Herzog schwört – in seiner Anwesenheit und der seiner Räte. An diesem Weihnachten ist vielleicht nur wenig Rückzug ins Private möglich, vielmehr ist es ein Moment der Machtdemonstration: Der Herzog sichert sich Loyalität, gerade jetzt.
Doch die Kehrseite dieser Ordnung zeigt nur wenige Tage zuvor: Am 19. Dezember 1504 wird der Landsknecht Ulrich Rapp hingerichtet – bei lebendigem Leib gevierteilt, ein in München nur einmal nachweisbarer Vorgang. Meuterei, Landesverrat, geheime Absprachen mit dem Feind: Das Urteil soll abschrecken. Das Stadtgerichtsprotokoll endet lakonisch mit den Worten: „ist gefiertaillt an pfintztag vor Thome apostoli“.
Weihnachten 1504 bedeutet für manche Eid und Amt, für andere Tod und öffentliche Gewalt. Besinnlichkeit? Fehlanzeige.



Signatur:
DE-1992-SGER-0865-2
Weihnachten 1900: Glanz, Familie und Repräsentation
Fast 400 Jahre später berichtet die Münchner Stadtchronik von 1900 von Weihnachten am königlichen Hof. Punkt 18 Uhr beginnen die Feierlichkeiten. Der Ort: der Gobelinsaal im ersten Stock des Wittelsbacher Palais. Der Rahmen: prunkvoll.
Prinz und Prinzessin Ludwig versammeln ihre Familie, verheiratete Töchter mit den Schwiegersöhnen inklusive. Es wird über mehrere Stockwerke verteilt gefeiert. Selbst die Abwesenheit einer Prinzessin wird erwähnt – wegen Unwohlseins.
Dieses Weihnachten scheint inszeniert zu sein, familiär und doch politisch. Es zeigt Nähe und zugleich Distanz, Zugehörigkeit und Rang. Frieden herrscht – zumindest sichtbar. Krieg, Hunger oder Gewalt tauchen hier nicht auf.

Weihnachten 1934: Ein Wunschzettel
Und dann liegt da ein Blatt Papier. Ein Kinderwunschzettel von 1934. Keine großen Worte, keine Ausschmückung. Nur Bitten:
Eine Stablampe. Eine Schulmappe. Farben, Bleistifte, Hefte. Kleidung. Und: „Das Buch der Hitlerjugend bringe mir bitte auch.“
Dieser Zettel erzählt leise. Von materiellen Sorgen, von Schule, von Alltag. Und von einer Zeit, in der selbst Weihnachten nicht mehr unpolitisch ist. Ideologie hat ihren Platz gefunden zwischen Unterhose und Schulheft. Das Kind formuliert, was ihm selbstverständlich erscheint – und zeigt uns gerade dadurch, wie tief Politik in den Alltag eingedrungen ist.

Signatur: DE-1992-FAM-0951-01
Und Weihnachten heute?
Eidleistungen, Hinrichtungen, höfischer Glanz, kindliche Wünsche: Alles das geschieht rund um Weihnachten. Dasselbe Fest – völlig unterschiedliche Blickrichtungen.
Vielleicht ist das die eigentliche Konstante von Weihnachten: Es spiegelt seine Zeit. Es zeigt, was Menschen beschäftigt, was sie fürchten, was sie sich erhoffen. Frieden ist kein Selbstläufer, Besinnlichkeit kein Automatismus und Liebe ist nicht machbar.
Ein Blick in die Geschichte erinnert uns daran, dass Weihnachten immer auch das ist, was wir daraus machen.
Und vielleicht mag uns genau dieser Gedanke an den Feiertagen begleiten.
So wünschen wir Ihnen frohe Feiertage und für 2026 Frieden, Gesundheit und Erfolg!

Signatur: DE-1992-GS-A-0561