Wo, in welchen Städten und welchen Konzerthäusern sind die weltberühmten Münchner Philharmoniker in der Spielzeit 2019/2020 aufgetreten? Welche Werke haben sie in diesem Zeitraum aufgeführt? Wer hat sie dirigiert? Und wer spielte dabei die erste Geige?
Diese und viele anderen Fragen lassen sich künftig schnell und einfach mit Hilfe des elektronischen Datenbankauszugs beantworten, der seit 2020 zu jeder Spielzeit aus dem Orchesterverwaltungsprogramm OPAS der Münchner Philharmoniker vom Stadtarchiv München übernommen und gesichert wird.
Das Fachverfahren OPAS
Das Fachverfahren OPAS wird insbesondere zur Terminverwaltung bei den Münchner Philharmonikern eingesetzt. Die Proben und Konzerte des Orchesters werden hierüber organisiert: Wo finden diese statt? Welche Werke kommen zur Aufführung? Welche Musiker*innen werden eingesetzt? Nicht nur Konzertreisen werden mit Hilfe des Fachverfahrens vorbereitet und der Einsatz von Gast- und Aushilfsmusiker*innen geplant, sondern auch die Instrumente des Orchesters werden über das Fachverfahren verwaltet. Dabei werden viele Informationen zu den Instrumenten in der zugehörigen Datenbank hinterlegt, von den Eigentümer*innen bis hin zu dem Versicherungswert.
Archivierung digitaler Verwaltungsunterlagen als gesetzliche Pflichtaufgabe
Die Münchner Stadtverwaltung hat gemäß dem Bayerischen Archivgesetz (BayArchivG) die Verpflichtung, alle Akten und Unterlagen, die sie für ihre Aufgabenerledigung nicht mehr benötigt, dem Stadtarchiv München zur Übernahme anzubieten. Das Stadtarchiv entscheidet im zweiten Schritt über deren Archivwürdigkeit. Schließlich übernimmt und sichert es die als archivwürdig bewerteten Unterlagen.
Diese sogenannte Anbietungspflicht der öffentlichen Verwaltung bezieht sich nicht nur auf klassische Papierakten, sondern auf alle Arten von Verwaltungsunterlagen. Somit sind auch elektronische Daten, die beispielsweise in Fachverfahren entstehen und in angeschlossenen Datenbanken vorgehalten werden, betroffen.
Das Stadtarchiv München hat daher 2016 ein digitales Archiv in Betrieb genommen. Dieses ermöglicht es, elektronische Unterlagen unter Wahrung ihrer Integrität und Authentizität dauerhaft zu sichern und für eine Benutzung durch Dritte bereitzustellen.
Die Daten aus dem Orchesterverwaltungsprogramm OPAS sind die ersten elektronischen Unterlagen, die vom Stadtarchiv München aus einem bei der Landeshauptstadt München eingesetzten datenbankbasierten Fachverfahren archiviert wurden.
Projektgeschichte
Schon 2013 waren die Daten in OPAS im Rahmen einer allgemeinen Erkundung über die bei der LHM eingesetzten elektronischen Anwendungen vom Stadtarchiv als grundsätzlich archivwürdig klassifiziert worden. Nach ersten Vorgesprächen über mögliche Wege der Datenübernahme konnte aber erst 2019 mit der eigentlichen Arbeit an der Archivierung begonnen werden.
Im ersten Schritt fand eine inhaltliche Bewertung der in OPAS entstehenden und verwalteten Daten statt. Die beteiligten Archivar*innen waren sich schnell einig, nicht alle im Fachverfahren gespeicherten Informationen archivieren zu wollen. Einige Daten, etwa zur Abrechnung von Tagegeldern, sind nicht archivwürdig, andere Informationen, etwa zu den Instrumenten, werden durch die Archivierung anderer Unterlagen der Philharmoniker gesichert.
Man einigte sich darauf, sich auf die Daten zu den Auftritten des Orchesters und der beteiligten Musiker*innen zu konzentrieren. Auch diese Informationen sind zum Teil an anderer Stelle überliefert, etwa in gedruckten Programmen oder Jahresberichten der Philharmoniker. Der Mehrwert ihrer Archivierung aus OPAS liegt aber in der Informationsverdichtung. So müssen künftige Benutzer*innen die Informationen beispielsweise zu den Auftritten des Orchesters in der Spielzeit 2021/22 nicht mehr mühselig aus verschiedenen Quellen im Stadtarchiv zusammentragen, sondern haben sie gebündelt in elektronischer Form vorliegen, mit vielfältigen Möglichkeiten der Auswertung.
Nach der Bewertung, also der Entscheidung, welche Daten aus dem Fachverfahren übernommen werden sollen, stellte sich im nächsten Schritt die Frage, in welchem Format und in welcher Struktur die Daten archiviert werden. Bei der digitalen Archivierung werden nur die Daten selbst archiviert, nicht aber die Fachanwendung, mit der sie erzeugt wurden. Das bedeutet, die Daten müssen aus der Anwendung exportiert werden. Beim Export die originäre und zumeist komplexe Struktur der Daten in der Datenbank zu erhalten, ist aber sehr aufwendig, und gerade mit Blick auf die spätere Nutzung, die eine übersichtliche Struktur in der Regel bevorzugt, auch nicht notwendig.
Die Archivar*innen entschieden sich daher mit Blick auf die gewünschte Datenstruktur für XML als Format für den Export und die Archivierung der OPAS-Daten. XML ist ein weitverbreitetes, dabei aber sehr einfaches Textformat, bei dem davon auszugehen ist, dass es auch in fernerer Zukunft von IT-Anwendungen verarbeitet und für Nutzer*innen lesbar gemacht werden kann. Und es kann Daten hierarchisch in einer Baumstruktur abbilden.
Datenbankauszug
Der zu archivierende Datenbankauszug hat nun folgende Struktur: Pro Spielzeit wird eine XML-Datei aus OPAS exportiert, übernommen und archiviert. Als oberste Knotenpunkte in der Baumstruktur der XML-Datei wurden die jeweiligen Veranstaltungen der Spielzeit gewählt, z.B. ein Konzert oder eine Generalprobe, mit den zugehörigen Grunddaten, wie den Ort, das Datum und die Dauer der Veranstaltung. Jeder Veranstaltung zugeordnet sind wiederum die Angaben zu den Dirigent*innen (Name, Geburtsdatum, Nationalität), die Informationen zu den aufgeführten Werken (Name, Geburts- und Sterbedatum der Komponist*innen; Bezeichnung der Werke), Daten zu den Solist*innen (Name, Instrument, Geburtsdatum, Nationalität) und schließlich die Angaben zu den weiteren mitwirkenden Musiker*innen (Name, Instrument, Geburtsdatum, Nationalität), sortiert nach den Instrumentengruppen.
Erste Aussonderung, Übernahme und Archivierung
Der erste Probeexport einer solchen XML-Datei aus OPAS fand im März 2020 statt, und wurde zum Review an das Stadtarchiv übergeben. Nach einigen Anpassungen erfolgte der erste produktive Export im Oktober 2020. Anschließend wurden die Daten mit der Archivierungssoftware scopeOAIS in das digitale Magazin des Stadtarchivs übernommen und abgelegt.
Im Zuge der Übernahme wurden zudem Metadaten zur Beschreibung der OPAS-Daten in die Nachweisdatenbank des Stadtarchivs eingespielt. Die archivierten Datenbankauszüge sind damit auch online über die Webanwendung scopeQuery recherchierbar.
Allerdings enthalten die archivierten Datenbankauszüge personenbezogene Daten der beteiligten Musiker*innen, sie unterliegen deshalb noch den archivischen Schutzfristen nach Art. 10 Abs. 3 BayArchivG. Folglich sind die Daten derzeit noch nicht für jedermann einsehbar. Forscher*innen mit einem wissenschaftlichen Interesse an den Daten können aber einen formlosen Antrag auf Schutzfristverkürzung stellen, der in der Regel unter Auflagen bewilligt wird.
2020 ausgespielt wurden die Daten der Spielzeiten von 2005/06 bis 2019/20. Seitdem findet einmal jährlich ein Datenbankexport aus OPAS statt, mit den Daten der jeweils vergangenen Spielzeit. Damit können Forscher*innen und nach Ablauf der Schutzfristen alle Interessierten schnell auf Informationen zu allen Konzerten der Münchner Philharmoniker zugreifen. Auch das Einlesen der XML-Auszüge in eine Datenbank ist prinzipiell möglich, um komfortabel unterschiedliche Auswertungen der Daten vorzunehmen.