Was sahen Münchnerinnen und Münchner, wenn sie in der Nacht vom 9. auf den 10. November – der „Kristallnacht“ – aus ihren Fenstern sahen? Der 17jährige Christoph Schaefer konnte die mutwillige Zerstörung und Brandstiftung an der Ohel-Jakob-Synagoge beobachten. Das Küchenfenster, das er in seinen Erinnerungen erwähnt, lag offenbar an der Rückseite des Wohn- und Geschäftshauses.
Im Stadtplanausschnitt ist die Synagoge gelb markiert, das Wohnhaus der Familie Schaefer grün. Aus dem Fenster zwischen den Gebäuden nach links blickend konnte der Jugendliche das Gebetshaus sehen.
Was der junge Mann am 9.11.1938 vermutlich nicht wusste: Im selben Haus wie er wohnten damals im 1. Stock in der Pension „Vier Jahreszeiten“ drei jüdische Münchner. Edgar Ladenburg wählte zwei Jahre später angesichts der drohenden Deportation im November 1941 den Freitod, das junge Ehepaar Dr. Erwin Weigl und Lotte Weigl wurden im November 1941 im litauischen Kowno (Kaunas) ermordet.
Erwin Weigl war Arzt. Da die nationalsozialistischen Behörden jüdischen Ärzten im September 1938 die Approbation entzogen hatten, konnte er nur noch als „Krankenbehandler“ praktizieren. Lotte Weigl hatte sich an der Münchner Kochschule Schwarz praktisch fortgebildet, um nach ihrer geplanten Emigration leichter Arbeit zu finden.
Ebenfalls an einem 9. November schrieb Christoph Schaefer seine Erinnerungen an diese beklemmende Stunde auf, nun schon über 70 Jahre alt. Dem Text merkt man nicht nur den langen Zeitabstand zum Geschehen an, sondern auch, dass den Augenzeugen das gewaltsame Geschehen im Fensterrahmen über ein halbes Jahrhundert später noch einholte und beschäftigte.