THE ARCHIVE AS… – 200 Jahre Kunstverein München e.V.

„THE ARCHIVE AS…“, so lautet der Titel der Ausstellung zum 200-jährigen Bestehen des Kunstvereins München e.V., die noch bis 27. August 2023 in der Galeriestraße 4 zu besichtigen ist.

Der 1823 gegründete Verein ist eine der ältesten Institutionen seiner Art. Vor allem seit den 60iger Jahren des 20. Jahrhunderts wuchs mit dem künstlerischen Programm auch die nationale und internationale Aufmerksamkeit.

Blick in die Ausstellung
Installationsansicht der Ausstellung THE ARCHIVE AS;
Foto: Maximilian Geuter.

Der Kunstverein und München

Kunst ist nicht abgehoben von gesellschaftlichen und sozialen Entwicklungen, sondern immer auch Ausfluss und zugleich Antrieb derselben. Insofern ist die Geschichte des Kunstvereins München eng an die Kulturgeschichte der heutigen Landeshauptstadt geknüpft. Vielleicht stand deswegen am Anfang der Vorbereitungen für die 200-Jahrfeier, die Einladung der Verantwortlichen an alle, die um die Geschichte des Vereins wissen, von ihr zu erzählen und für diese bedeutendes Material zu teilen.

Die Überlieferung des Kunstvereins im Stadtarchiv

Blick auf die Ausstellungsinstallation mit Archivschachteln und abgedeckten Originalfolianten; Foto: Angela Stilwell.
Blick auf die Ausstellungsinstallation mit Archivschachteln und abgedeckten Originalfolianten;
Foto: Angela Stilwell.

Der Großteil des älteren Archivs des Kunstvereins ist von 2002 bis 2012 dem Stadtarchiv München als Depositum anvertraut worden. Seit einigen Jahren unterhält der Kunstverein nun auch ein kleines Archiv mit einem eigenen Archivar. Diese beiden Bestände sollten nun für die Ausstellung zusammengeführt werden. Nach intensiven Beratungen der Verantwortlichen im Verein und im Stadtarchiv ist das Archivgut im Mai 2023 zur Dauer der Ausstellung durch eine Fachfirma zum Sitz des Kunstvereins in die Galeriestraße 4 verbracht worden.

So wird erstmals beinahe das gesamte Archivmaterial aus zwei Jahrhunderten einem breiteren Publikum präsentiert.
Dies geschieht nicht zum Selbstzweck, sondern um der Frage nachzugehen, wie das Archivgut für die Gegenwart hilfreich und produktiv sein kann. Dabei geht es auch nicht um Vollständigkeit, sondern gerade die Topographie von dem, was nicht vorhanden ist, soll gezeichnet werden.

Ein Archiv wird präsentiert

So sind Archivboxen neben Fotos von Veranstaltungen und Ausstellungen „gelagert“, findet sich die Gründungsurkunde des Vereins genauso wie die Dokumentation seiner Geschichte während der Zeit des Nationalsozialismus in Bildern und kurzen Infotafeln. Die für den Verein wichtigen Ereignisse der 60iger und 70iger Jahre, die seine Emanzipation gegenüber den politischen Entscheidern deutlich machen, sind ebenso dokumentiert und erläutert wie die einst erzwungene Aufnahme der Lola Montez durch König Ludwig I. in den Kunstverein.

Foto von Lola Montez und handschriftliches Schreiben
Anordnung zur Aufnahme von Lola Montez in den Münchner Kunstverein;
Foto: Angela Stilwell.

Auseinandersetzung mit dem Überlieferten

Es ist eine lebendige Ausstellung, die Veränderung zum Programm hat. Dies zeigt sich schon darin, wenn Künstler*innen, Theoretiker*innen, Wissenschaftler*innen, (Kunst)Historiker*innen und ehemalige Mitarbeiter*innen eingeladen sind, das vorhandene Material auf dem Hintergrund der eigenen Erfahrung und Erkenntnisse zu sichten, neu zu ordnen und zu beschreiben. Damit wird deutlich: ein Archiv – gerade das des Kunstvereins – ist nichts Statisches, nichts Unveränderbares, sondern es offenbart sich die, wenn auch bisweilen widersprüchliche, Wirklichkeit des Werdens und Seins einer Institution und der Menschen, die mit ihr verwoben sind. Damit ist „THE ARCHIVE AS…“ alles andere als eine Rückschau und Selbstbeweihräucherung anlässlich des eigenen Jubiläum, sondern eine aus der Vergangenheit in die Zukunft gerichtete Mahnung, der Wirklichkeit in der Freiheit der Kunst Raum zu geben, den Mut zur Provokation zu haben und das Alltägliche neu zu denken und zu erfinden.

Die in diesen Tagen stattfindende Summer School, die über fünfzig Künstler*innen sowie Kulturschaffende zusammenbringt, um die Möglichkeiten und Grenzen kollektiver Wissensproduktion zu testen, macht dies deutlich.

Wenn „THE ARCHIVE AS…“ Ende August schließt und das Archivgut wieder zurück in das Magazin des Stadtarchivs in der Winzererstraße transportiert wird, wird dies nicht der Abschluss einer gewöhnlichen Ausstellung sein, sondern die Beteiligten und die Öffentlichkeit, wenn sie sich auf sie eingelassen haben, werden die Wirkung von (Kunst)Geschichte für die Gegenwart neu zu deuten wissen.

Detailansicht Archivschachteln mit der Publikation Be Nice Share Everything Have Fun, 2009; Foto: Maximilian Geuter.
Detailansicht Archivschachteln mit der Publikation Be Nice Share Everything Have Fun, 2009;
Foto: Maximilian Geuter.

THE ARCHIVE AS…
Ausstellung und Veranstaltungsprogramm mit manuel arturo abreu, Niloufar Emamifar, Saidiya Hartman, Moshtari Hilal, Onyeka Igwe, Sami Khatib, Joshua Leon, Maria Lind, Michaela Melián, A. Dirk Moses, Shola von Reinhold, Alan Ruiz, Rachel Salamander, Nora Sternfeld, Sinthujan Varatharajah, Helena Vilalta und vielen mehr.

27. Mai – 27. August 2023, Eintritt: 5 Euro

Der Katalog zur Ausstellung ist im Juli 2023 erschienen:
Dietrich, Maurin, Hasney, Gloria (Hrsg.), For Now. 200 Jahre Kunstverein München, Berlin 2023.

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