Paul Heyse – Münchens erster Nobelpreisträger für Literatur und ein Grab mit Stil

München um 1900: Künstler, Dichter und Denker treffen sich in den Cafés rund um den Königsplatz. Zwischen den dampfenden Kaffeetassen und Zigarrenrauch und dichterischem Ehrgeiz sitzt oft einer, der mit seiner Eleganz und seinem feinen Witz auffällt – Paul Heyse. Schriftsteller, Übersetzer, Menschenfreund, Lebenskünstler. Ein Mann, der es schaffte, ganze Generationen zum Träumen zu bringen – und 1910 den Nobelpreis für Literatur erhielt.


Der feine Herr mit großem Wortschatz

Paul Heyse, 1830 in Berlin geboren, war kein Revolutionär mit Feder und Fackel – er war ein Ästhet. Er schrieb über Liebe, Ehre, Freiheit und über die leisen Töne des Lebens. Seine Novellen – darunter L’Arrabbiata1 – machten ihn berühmt. Für seine Leser war er der Inbegriff des kultivierten Erzählens. Für seine Zeitgenossen eine Art literarischer Gentleman, der auch mal mit Theodor Fontane oder Theodor Storm über die Kunst des guten Satzes diskutierte.

Und München? München war seine Bühne. Hier lebte er, schrieb er, liebte er – hier fand er auch seinen letzten Ruheplatz.

Ein Spaziergang mit Geschichte – Paul Heyses Grab im Waldfriedhof

Wer heute durch den alten Teil des Münchner Waldfriedhofs spaziert, kann zwischen Buchen, Farnen und stillen Wegen auf Paul Heyses efeuumschlungenes Grab stoßen, wo er nach seinem am 2. April 1914 erfolgten Tod kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs bestattet wurde. 1930 fand hier auch seine Frau Anna ihre letzte Ruhestätte.

Wehmütige Stimmung lag in der Natur am Tage, da man Paul Heyse, den großen Dichter, den Liebling der Götter und Menschen, zu Grabe trug. Die Aussegnungshalle des Waldfriedhofes war einfach und stilvoll mit Lorbeerbäumen ausgeschmückt. Nur ein kleiner Teil der großen Trauerversammlung konnte hier Einlaß finden.

Jahrbuch der Stadt München 1914

Otho Orlando Kurz entwarf für den Ehrenbürger Münchens kein protziges Denkmal, sondern eine würdige, schlichte Anlage mit klassizistischer Eleganz – ein bisschen so, wie Paul Heyse selbst war: kultiviert, bedacht, charmant. Das vom Bildhauer Erwin Kurz ausgeführte säulenumstandene Grabmal aus Muschelkalk mit einem Reliefbildnis befindet sich in der Sektion 43 – W – 27. Damit liegt es im ältesten Teil des Waldfriedhofs gegenüber der sogenannten Künstlersektion mit Ruhestätten von Münchner Künstlern wie Franz Schildhorn oder Carl Johann Becker-Gundahl.

Ein Spaziergang dorthin lohnt sich allemal – nicht nur für Literaturfans. Man spürt etwas von der Atmosphäre, die Heyse liebte: das Zwielicht unter den Bäumen, das Rascheln der Blätter, das Flüstern vergangener Zeiten.

Zudem ist der Waldfriedhof nicht einfach nur ein Friedhof. Er ist eine von Hans Grässel in einem bestehenden Wald gestaltete Park- und Landschaftsanlage, entworfen mit Blick auf Ruhe, Erholung, Erinnerung und Natur. Für die Besucher*in bietet sich hier die Gelegenheit, stille Erinnerung mit einem urbanen Waldspaziergang zu verbinden – abseits der üblichen und damit lauten Touristenpfade.

Heyse auch heute noch lesenswert

Paul Heyse war einer der ersten, der die europäische Literatur als etwas Gemeinsames begriff. Er übersetzte vor allem italienische und spanische Literatur ins Deutsche und machte so Werke von Giacomo Leopardi oder Pedro Calderón einem breiteren Publikum zugänglich – öffnete also Fenster in andere Welten. Seine Sprache ist altmodisch schön, aber erstaunlich modern in Haltung und Geist. In einer Zeit, in der vieles laut, schnell und grell ist, liest sich Heyse wie eine Einladung: Atme! Lies! Und erinnere Dich daran, dass Schönheit in der Ruhe liegt.

Paul Heyse war vieles – Sprachkünstler, Förderer von Emanzipation und Frauenrechten, Europäer im besten Sinn und er initiierte das erste Mädchengymnasium Münchens – das Luisengymnasium.

Sein Grab auf dem Waldfriedhof ist heute mehr als nur eine Ruhestätte: es ist ein stilles Denkmal für die Kunst des Wortes und die Eleganz der Gedanken.

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/L%E2%80%99Arrabbiata ↩︎

Skandal um Josy

Eine außergewöhnliche Frau erobert Europa

Am 12. April 1975 stirbt die Frau, die im Oktober 1925 mit ihrem ersten Auftritt in Paris das Publikum in ganz Europa verzauberte. Die US-amerikanische Tänzerin und Sängerin Josephine Baker führte das erste Mal live in Europa einen neuen Tanz aus Amerika vor, den Charleston. Der Tanz war für die damalige Zeit außergewöhnlich und noch viel mehr die Tänzerin: Sie besaß nicht nur eine schwarze Hautfarbe, sondern ihr Auftrittskostüm bestand teilweise lediglich aus einem Lendenschurz mit Bananen – ein Skandal für die zeitgenössisch konservativen Kreise.

Porträt von Josephine Baker, 1950
Porträt von Josephine Baker, 1950, DE-1992-FS-PER-B-0037-01
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Die Gesellschaft für Außenpolitik übergibt bedeutende Unterlagen an das Stadtarchiv München

Die Gesellschaft für Außenpolitik hat im Sommer des vergangenen Jahres ihre zentralen Aktenbestände aus dem Zeitraum zwischen 1948 und 2008 an das Stadtarchiv München abgegeben. Die Dokumente umfassen Protokolle und Mitschriften der Mitgliederversammlungen und der Vorstands- und Ausschusssitzungen, Tätigkeits- und Geschäftsberichte sowie die Geschäfts- und Mitgliederkorrespondenz. Eine umfangreiche Überlieferung befasst sich mit der Durchführung und Dokumentation der Vortragsveranstaltungen. Damit wird die Tätigkeit der Gesellschaft, die sich im Jahr 1948 als Gesellschaft für Auslandskunde gründete, von Beginn an über mehr als ein halbes Jahrhundert hinweg ausführlich dokumentiert.

Einladung zum Festvortrag "Europäische Friedensordnung in einer multipolaren Welt" durch Hans-Dietrich Genscher, 1988
Einladung zum Festvortrag am 15. Dezember 1988 anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Gesellschaft.
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Mit Brief und Siegel

In der ständischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts gehörte die Erhebung in den Adelsstand zu den größten Gunsterweisung, die der Souverän seinen Untertanen oder Dienern gewähren konnte. Eine sogenannte Standeserhöhung vermehrte das Renommee, erleichterte den Zugang in die Hofgesellschaft und stellte nicht zuletzt eine hohe persönliche Auszeichnung dar. Dem Münchner Franz Xaver Marcktreither, der seit vielen Jahren im Marstall des bayerischen Kurfürsten Max III. Joseph (reg. 1745-1777) „nutzliche und getreue Dienst geleistet“ hatte, sollte diese Standeserhöhung im Jahr 1755 gelingen.

Der Adelsbrief mit Siegelkapsel und Blechschatulle
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Münchner*innen in der Fremde – Eine Annäherung in Texten (Folge 3) – Arosa 1933

„Geschichten aus dem Stadtarchiv“ war ein neuer Programmpunkt zum diesjährigen Tag der Archive am 2. März 2024. Hierbei handelte es sich um eine Lesung aus archivalischen Quellen, die als gemeinsamen roten Faden das Thema „Münchner*innen in der Fremde“ in sich trugen. Als Zeitrahmen wurde das 20. Jahrhundert gewählt.

Für einen Aufenthalt in der Fremde gibt es viele Gründe. Es kann eine Urlaubsreise sein, es können berufliche Gründe vorliegen, Abenteuerlust ist ein möglicher Grund, es kann aber auch politische Gründe dafür geben, die Heimatstadt verlassen zu müssen. All diese Facetten sollten in den vier ausgewählten Texten beleuchtet werden. Hierbei handelte es sich um Briefe, Erinnerungen und Berichte von drei Münchnern und einer Münchnerin, die in chronologischer Abfolge vorgestellt werden. Vor der Lesung der Texte erfolgte am Tag der Archive durch den Autor dieses Beitrags eine kurze Hinführung zum sachlichen und historischen Kontext der Quelle sowie zum biografischen Hintergrund der Verfasser*innen bis zur Abfassung des Textes bzw. bis zum Eintritt der darin geschilderten Ereignisse. Abgeschlossen wurde jede Lesung mit Informationen zum weiteren Lebensweg der Verfasser*innen.1

Text 3: Briefwechsel zwischen dem Schriftsteller Thomas Mann (1875-1955) und dem Münchner Oberbürgermeister Karl Scharnagl (1881-1963), März 1933.

a) Schreiben Thomas Mann an Karl Scharnagl, Arosa (Schweiz), 6. März 1933, Maschinenschrift (Original).

b) Antwortschreiben Karl Scharnagl an Thomas Mann, München, 9. März 1933, Maschinenschrift (Durchschrift des Originals).

Der Briefwechsel ist in den Handakten Karl Scharnagls überliefert, die im Stadtarchiv im Aktenbestand „Bürgermeister und Rat“ vorliegen (DE-1992-BUR-1879).

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Die Edition der Protokolle des Münchner Stadtrats der Jahre 1459 bis 1554

Neben den Kammerrechnungen (ab 1318) und den Steuerbüchern (ab 1368) sind die Ratsprotokolle (ab 1459) einer der zentralen historischen Bestände im Stadtarchiv München. Sie geben genaue Auskunft über die personelle Zusammensetzung der kommunalen Entscheidungsgremien und die von ihnen zu regelnden Angelegenheiten der Münchner Stadtgesellschaft.
Dr. Helmuth Stahleder, ehemaliger stellvertretender Leiter des Stadtarchivs München, transkribierte die frühen Bände und erschloss sie durch Personen-, Ortsnamen- und Sachregister sowie ausführliche Kommentierungen.

Die Entwicklung des Münchener Inneren und Äußeren Rats

Lag die Stadtgewalt ursprünglich in den Händen stadtherrlicher Dienstleute, also eines herzoglichen Richters, Zöllners, Münzer etc., so übertrug Herzog Ludwig der Strenge die Stadtverwaltung einem stadtbürgerlichen Gremium, das 1286 erstmals schriftlich in Erscheinung trat. Mitglieder waren ausschließlich hochvermögende Bürger. 1294 erließ Herzog Rudolf I. ein erstes Stadtrecht, das eine eindeutige Mitbestimmung des 12-köpfigen Rats (Satzungs-, Ordnung- und Gerichtsgewalt) zuließ.

1318 trat zu diesem Gremium, das nun als Innerer Rat bezeichnet wurde, ein 24-köpfiger Äußerer Rat. Ihm gehörten Bürger der aufsteigenden Mittelschicht und Zunfthandwerker an. Da die Tätigkeit im Rat zeitaufwendig und bis Ende des 16. Jahrhunderts ehrenamtlich war, konnten sich allerdings auch dort nur vermögendere Bürgern eine Mitarbeit erlauben.

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Münchner*innen in der Fremde – Eine Annäherung in Texten (Folge 2, Petra 1914)

„Geschichten aus dem Stadtarchiv“ war ein neuer Programmpunkt zum diesjährigen Tag der Archive am 2. März 2024. Hierbei handelte es sich um eine Lesung aus archivalischen Quellen, die als gemeinsamen roten Faden das Thema „Münchner*innen in der Fremde“ in sich trugen. Als Zeitrahmen wurde das 20. Jahrhundert gewählt.

Für einen Aufenthalt in der Fremde gibt es viele Gründe. Es kann eine Urlaubsreise sein, es kann berufliche Gründe haben, es kann Abenteuerlust sein, es können aber auch politische Gründe den Anlass geben, die Heimatstadt verlassen zu müssen. All diese Facetten sollten in den vier ausgewählten Texten beleuchtet werden. Hierbei handelte es sich um Briefe, Erinnerungen und Berichte von drei Münchnern und einer Münchnerin, die in chronologischer Abfolge vorgestellt werden. Vor der Lesung der Texte erfolgte am Tag der Archive durch den Autor dieses Beitrags eine kurze Hinführung zum sachlichen und historischen Kontext der Quelle sowie zum biografischen Hintergrund der Verfasser*innen bis zur Abfassung des Textes bzw. bis zum Eintritt der darin geschilderten Ereignisse. Abgeschlossen wurde jede Lesung mit Informationen zum weiteren Lebensweg der Verfasser*innen.1

Folge 2: Bericht der Bildhauerin Ilse von Twardowski-Conrat über eine Reise zu der Felsenstadt Petra im heutigen Jordanien im Frühjahr 1914. Handschriftliches Manuskript. o. J. [1937-1942], Maschinenschriftliche Abschrift der Tochter Elisabeth Kahmann, München, o.J. [um 1980] (DE-1992-NL-TWA-08).2

Fassade mit Säulen, in den Fels getrieben
Ansicht von Petra, das sogenannte „Schatzhaus des Pharao“;
DE-1992-NL-TWA-08
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Münchner*innen in der Fremde – Eine Annäherung in Texten (Folge 1: Peking, 1901)

„Geschichten aus dem Stadtarchiv“ war ein neuer Programmpunkt zum diesjährigen Tag der Archive am 2. März 2024. Hierbei handelte es sich um eine Lesung aus archivalischen Quellen, die als gemeinsamen roten Faden das Thema „Münchner*innen in der Fremde“ in sich trugen. Als Zeitrahmen wurde das 20. Jahrhundert gewählt.

Für einen Aufenthalt in der Fremde gibt es viele Gründe. Es kann eine Urlaubsreise sein, es kann berufliche Gründe haben, es kann Abenteuerlust sein, es kann aber auch Gründe dafür geben, aus politischen Gründen die Heimatstadt verlassen zu müssen. All diese Facetten sollten in den vier ausgewählten Texten beleuchtet werden. Hierbei handelte es sich um Briefe, Erinnerungen und Berichte von drei Münchnern und einer Münchnerin, die in chronologischer Abfolge vorgestellt werden. Vor der Lesung der Texte erfolgte am Tag der Archive durch den Autor dieses Beitrags eine kurze Hinführung zum sachlichen und historischen Kontext der Quelle sowie zum biografischen Hintergrund der Verfasser*innen bis zur Abfassung des Textes bzw. bis zum Eintritt der darin geschilderten Ereignisse. Abgeschlossen wurde jede Lesung mit Informationen zum weiteren Lebensweg der Verfasser*innen.1

Folge 1: Brief des Installateurs und Soldaten Josef Pettinger an seine Schwester Marie (Mari) in München. Peking, 30. Juni 1901 (DE-1992-FAM-966).2

Handgeschriebener Brief von Josef Pettinger
Josef Pettinger schrieb seiner Schwester 1901 einen Brief während seines Aufenthalts in Peking nach dem sogenannten „Boxeraufstand“. (DE-1992-FAM-966)
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Archivierung von den Daten aus dem Orchester-Verwaltungsprogramm OPAS der Münchner Philharmoniker

Wo, in welchen Städten und welchen Konzerthäusern sind die weltberühmten Münchner Philharmoniker in der Spielzeit 2019/2020 aufgetreten? Welche Werke haben sie in diesem Zeitraum aufgeführt? Wer hat sie dirigiert? Und wer spielte dabei die erste Geige?

Diese und viele anderen Fragen lassen sich künftig schnell und einfach mit Hilfe des elektronischen Datenbankauszugs beantworten, der seit 2020 zu jeder Spielzeit aus dem Orchesterverwaltungsprogramm OPAS der Münchner Philharmoniker vom Stadtarchiv München übernommen und gesichert wird.

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Zwischen Meldeunterlagen und Premierenfotos: Zu Gast im Stadtarchiv München

Fünf Referendarinnen und Referendare der Staatlichen Archive Bayerns absolvierten im Rahmen ihrer Ausbildung ein dreiwöchiges Praktikum im Stadtarchiv München. Dort erhielten sie einen Einblick in Aufgabenbereiche und Arbeitsabläufe eines kommunalen Archivs.

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