Jüdisches Vermögen und Brandvermeidung – ein Praktikumsbericht

Zehn Wochen lang hat Fiona A. das Stadtarchiv München für ein Praxis-Semester verstärkt. Sie studiert an der Fachhochschule Potsdam Archivwissenschaften auf Bachelor und berichtet im Folgenden über ihr Praktikum.

„Um für die Bachelor-Arbeit zugelassen zu werden, muss vor dem letzten Theoriesemester ein 20-wöchiges Praxissemester absolviert werden. Zehn Wochen davon habe ich von November 2022 bis Ende Januar 2023 im Stadtarchiv München verbracht.

Dort wurde ich zugleich mit einer wichtigen Aufgabe betraut. Ich durfte den bereits zur Hälfte erschlossenen Bestand „Leihamt“ weiter entmetallisieren (die Heftklammern entfernen), erschließen und schließlich natürlich auch fachgerecht verpacken (das volle Programm also 🙂 ).

Archivar*innen mögen keine Büro- und Tackerklammern, da sie rosten und das Papier angreifen können.

Eine Quelle für die Provenienzforschung

Besonders gut gefallen hat mir die Vielfältigkeit dieses Bestandes (von eher unspektakulären „Verlustanzeigen der Pfandscheine“ bis hin zu „Abgabelisten zwangsenteigneter Gegenstände aus jüdischem Besitz“ aus der NS-Zeit war alles dabei), sowie die sich daraus ergebende Relevanz für die Forschung.

Gerade in den letzten Jahren ist die Provenienzforschung besonders in den Vordergrund gerückt, da z.B. Schutzfristen personenbezogener Daten nun bei vielen Dokumenten erstmals abgelaufen sind und diese somit einen Einblick in die Enteignungsstrategien der Nationalsozialisten geben.

Auch Institutionen und Museen forschen jetzt mit großem Interesse an der Herkunft ihrer „Besitztümer“ bzw. Ausstellungsstücke und Gegenstände. Besonders erfreulich war für mich also dieser höchst aktuelle Bestand, der sicherlich in näherer Zeit von einigen Forschenden bzw. Provenienzforschenden genutzt werden wird, da er nun ja auch vollständig erschlossen und einsehbar ist.

Brandvorbeugung im alten München

Da ich mit der geplanten ersten Aufgabe schneller fertig war, als ursprünglich angenommen, durfte ich auch noch einen zweiten bereits begonnen Bestand weiter erschließen. Beim Bestand „Branddirektion“ handelt es sich bei den frühen Unterlagen um einen Pertinenzbestand rund um das Thema Brandverhinderung und Brandbekämpfung. Hauptsächlich haben nun Akten mit vorbeugenden Brandschutzmaßnahmen wie etwa zahlreichen Protokollen der Feuerbeschau von Anwesen in München ab Mitte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts auf mich gewartet.

Mal mehr, mal weniger lesbar wurden die Protokolle zur Feuerbeschau aufgenommen.

In diesem Zusammenhang konnte ich dann gleich meine im Studium erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse der Paläographie (Lesen alter Handschriften) anwenden. Dennoch gab es auch hier einige Überraschungen.
Beispielsweise befanden sich unter den oben genannten Archivalien auch ältere Dokumente wie etwa der durch einen Nachlass an das Stadtarchiv gekommene Feuersegen eines Geistlichen anlässlich eines Brandes in München im Jahre 1666 oder eine Wachtordnung aus dem 16. Jahrhundert.

Frisch verpackt warten die verzeichneten Archivalien auf eine baldige Benutzung.

Besuch in der Restaurierung und im Magazin

Des Weiteren durfte ich einige kleine Blicke hinter die Kulissen in verschiedene Abteilungen erhaschen, u.a. haben mir die beiden Restauratorinnen Näheres über das IPM (Integrated Pest Management) sowie über die vorbeugende Bestandserhaltung bzw. Restaurierung von Urkunden und Siegeln erzählt. Dabei wurden mir im Magazin die Objekte selbst gezeigt sowie die ausgeklügelte Umsetzung der Restaurierung und Neuverpackung.

Auch eine ausführliche Magazinführung durch den Leiter des Stadtarchivs Dr. Manfred Heimers selbst habe ich erhalten. Hierbei wurden mir die verschiedenen Registraturbildner der Unterlagen, Objekte etc. sowie besondere Archivalien (auch Zimelien genannt) erläutert. Unter anderem durfte ich dabei beispielsweise das älteste Stück im Stadtarchiv, vier Seiten einer Bibel aus dem 9. Jahrhundert, das aus der Sammlung des Historischen Vereins von Oberbayern stammt, einen Friedensnobelpreis oder aber auch die Polizeiakten der Verhaftung der Geschwister Scholl und Christoph Probst begutachten.

Außerdem konnte ich an einer Exkursion in die Städtische Galerie im Lenbachhaus teilnehmen. Dort wartete eine von den Kurator*innen geführte Besichtigung der Ausstellung „Kunst und Leben. 1915-1955“ auf uns.

Insgesamt habe ich nun also zehn spannende Wochen im Stadtarchiv München verbracht, in denen ich sicherlich eine Menge gelernt habe und die theoretische Ausbildung nun auch in die Praxis umsetzen durfte. 🙂 „

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